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Verbandsklage

Ein Plus für mehr Verbraucherrechte
Neue Klageform für Verbraucherschutzverbände

Unrechtmäßige Bankgebühren, unfaire Klauseln in Sparverträgen, einseitige Änderungen in Stromlieferverträgen, überraschende Vertragsklauseln von Fluggesellschaften, manipulative Handytarife… Verbraucherschädliche Praktiken von Unternehmen gibt es leider zuhauf.

Oft ist der Schaden für den einzelnen Verbraucher relativ gering. Würde er klagen, stünden die möglichen Klagekosten in einem schlechten Verhältnis zum eingeklagten Betrag. Daher klagt der Einzelne seine Ansprüche gegen das mächtige Unternehmen (Bank, Fluggesellschaft, Telekommunikationsunternehmen, Autohersteller) meist nicht ein.

Und eben dies antizipieren manche Unternehmen – und bauen im schlimmsten Fall ihr Geschäftsmodell darauf auf.

Verbandsklage – Neue Klageform für den Verbraucherschutz

Zugunsten der Verbraucher können jedoch Verbraucherschutzverbände Verbandsklagen (Massenverfahren, Sammelklagen) anstrengen. Die Verbände klagen stellvertretend im eigenen Namen und machen damit gleichartige Ansprüche vieler Verbraucher gegen ein Unternehmen geltend.

Damit sollen Verbraucher letztlich einfacher und kostengünstiger ihre Rechte gegen Unternehmen durchsetzen können. Gleichzeitig ist es ein Signal an Unternehmen, das ungünstige Kosten-Nutzen-Verhältnis von Verbraucherklagen nicht auszunutzen. Und üblen Geschäftsmodellen wird eine Gegenkraft geboten.

In Deutschland wird es künftig zwei dieser Formen der Verbandsklage geben:

  • Die nun neue Abhilfeklage tritt neben
  • die seit 2018 existierende Musterfeststellungsklage.

Beides ist im Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz, VDuG (Link zum Bundesministerium der Justiz) geregelt. 2

Verbandsklage von Verbraucherschutzverbänden Abhilfeklage Musterfeststellungsklage

Verbandsklage – Verbraucherschutzverbände

Klagen dürfen dabei nur solche Verbände, die als qualifizierte Verbraucherschutzverbände beim Bundesamt für Justiz registriert sind und bestimmte Anforderungen, z.B. hinsichtlich ihrer Finanzierung erfüllen. Eine Liste qualifizierter Einrichtungen mit einem Verbandsklagerecht finden Sie hier (Link zum Bundesamt für Justiz). Gelistet sind z.B. der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), der Bund der Versicherten e.V. (BdV), das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. (ZEV) oder der Anleger- und Verbraucherschutzbund e.V. (AVSB ). 1

Und so klingt das im politischen Fachjargon:

Verbandsklage – Klageregister

Liegt eine Vielzahl „im wesentlichen gleichartigerStreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen vor, kann ein Verbraucherschutzverband Klage erheben. Das angerufene Gericht eröffnet für diesen Fall sodann ein öffentliches Klageregister beim Bundesamt für Justiz. Zulässig ist eine Verbandsklage letztlich erst, wenn mindestens 50 Verbraucher potentiell betroffen sind. Kommen diese 50 betroffenen Verbraucher nicht zusammen, wird die Verbandsklage nicht durchgeführt.

Auf der Webseite des Bundesamtes für Justiz (BfJ) sehen Verbraucher, welche Verbandsklagen erhoben wurden. Dort können sie sich auch den Klagen anschließen. Das Klageregister beim Bundesamt für Justiz mit den jeweiligen Online-Anmeldeformularen zur Eintragung in das Klageregister finden Sie hier.

Verbandsklage Verbandsklageregister BMJ
bei Klick: Klageregister beim Bundesamt für Justiz

Die Anmeldung ist kostenfrei und ohne Anwalt oder Unterlagen möglich.

Wie läuft eine Verbandsklage ab?

Für die Verbandsklage zuständig ist immer das jeweilige Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das verklagte Unternehmen seinen Sitz hat.

Eine Verbandsklage endet entweder mit einem Vergleich oder einem Urteil. Die Revision zum Bundesgerichtshof ist immer zulässig. Nur für angemeldete Verbraucher entfalten die Feststellungen des Vergleichs bzw. des Urteils Bindungswirkung. Mit anderen Worten: wer sich der Verbandsklage nicht angeschlossen hat, kann keinerlei Rechte daraus für sich ableiten.

Verbandsklage – Was sind die Unterschiede zwischen Abhilfeklage und Musterfeststellungsklage?

Verbandsklage Abhilfeklage  Abhilfeklage

Die Verbandsklage in Form der Abhilfeklage eröffnet die Chance auf ein vollstreckbares Urteil bzw. eine Entschädigung für den einzelnen Verbraucher, ohne dass er selbst klagen muss. Die Verbraucherschutzverbände klagen direkt auf die Erfüllung der Ansprüche der Betroffenen.

Ist die Abhilfeklage erfolgreich, stellt das Gericht die Bedingungen für eine Entschädigung und ggfs. eine Gesamtsumme für alle geltend gemachten Ansprüche fest.

Anschließend prüft ein gerichtlich bestellter Sachwalter, welche angemeldeten Verbraucher wie viel Entschädigung erhalten können. Die Verteilung erfolgt durch den Sachwalter. Am Ende dieses Umsetzungsverfahrens prüft das Gericht die Schlussrechnung und den Schlussbericht des Sachwalters.

Verbandsklage Musterfeststellungsklage  Musterfeststellungsklage

Die Verbandsklage in Form der Musterfeststellungsverfahrens stellt wesentliche Voraussetzungen des Anspruchs der Verbraucher verbindlich fest – zum Beispiel, DASS die Verbraucher Entschädigung fordern können. Ein vollstreckbares Urteil hat der Verbraucher damit noch nicht in Händen. Weigert sich das verklagte Unternehmen dennoch weiter, den Anspruch zu erfüllen, muss der Verbraucher trotz des Zwischenerfolgs nochmal ergänzend selbst klagen, um etwa Schadensersatz zu erhalten. Das ist der wesentliche Unterschied zur o.g. Abhilfeklage.

Immerhin: Mit dem Feststellungsurteil aus dem Musterfestellungsverfahren sind zentrale Streitfragen für mögliche Leistungsklagen verbindlich geklärt. Die individuelle Rechtsdurchsetzung des Verbrauchers ist somit vereinfacht. Oft werden Unternehmen auch eher bereit sein, einen Vergleich abzuschließen, als sich unter diesem Vorzeichen den einzelnen zu erwartenden Klagen auszusetzen.

Verbandsklage - Vergleich oder Urteil

Fazit

Verbandsklagen sind ein Beitrag für mehr Verbraucherschutz. Sie bündeln die Interessen von vielen Verbrauchern in gleichgelagerten Fällen. Nicht nur der Einzelne reduziert damit seinen Kosten-, Zeit- und Nervenaufwand. Auch die Gerichte werden entlastet, weil die Anzahl der Einzelverfahren verringert wird. Unlauter agierenden Unternehmen drohen mit Verbandsklagen empfindliche Schritte. Der Fehlanreiz für Unternehmen, die unverhältnismäßige Mühe des Einzelnen auszunutzen, wird verringert.

Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten!

Wenn Sie in Finanz- oder Versicherungsfällen Geschädigter sind, wenden Sie sich z. B. an die Verbraucherzentralen oder den Bund der Versicherten e.V. (BdV). Dort kommen die Meldungen zusammen, werden ausgewertet und man sieht, ob sich viele gleichgelagerte Fälle häufen.

Weitere Informationen zur Verbandsklage finden Sie bei:

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Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!

1 Verbraucherverbände müssen strenge gesetzliche Voraussetzungen erfüllen, um stellvertretend für Verbraucher gegen ein Unternehmen in einem Verbandsverfahren klagen zu können. Sie müssen ausdrücklich anerkannt und besonders qualifiziert sein. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Verbandsklagen zur gezielten Schädigung von Unternehmen missbraucht werden. Vereinzelt wird jedoch moniert, dass einige Verbände durch die engen Kriterien für eine Klagebefugnis privilegiert, andere ausgeschlossen werden. Aber jedem recht getan, ist wohl auch hier eine Kunst, die niemand kann…

2 Das Gesetz zur Umsetzung der Abhilfeklage in Deutschland hat der Bundestag am 7. Juli 2023 beschlossen – am 29. September 2023 passierte es auch den Bundesrat. Das Gesetz zur Einführung der Musterfeststellungsklage für Verbraucherverbände trat zum 1. November 2018 in Kraft. In einem außergewöhnlich schnellen Gesetzgebungsverfahren sollte es wohl die Ansprüche der vom VW-Abgas-Skandal betroffenen Käufer sichern, die Ende 2018 zu verjähren drohten – eine Musterfeststellungsklage hemmte die Verjährung.

Komplett aktualisiert am 06. Oktober 2023. Ursprünglich als Erläuterung der Musterfeststellungklage bereits erschienen am 12. Oktober 2018. Weblinks zum Bundesamt für Justiz angepasst am 16. Oktober 2023.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

5 Gedanken zu „Verbandsklage“

  1. Lieber Herr Walz,
    ich möchte mich für Ihren großenartigen Einsatz für unser Gemeinwohl bedanken. Sie sind ein Musterbeispiel für die Stärkung unserer Verbraucherrechte.
    Wir brauchen mehr finanzielle Bildung
    in Schulen, Berufsausbildungsstätten und Unis, um präventiv bessere Geldentscheidungen zu treffen.
    Herzliche Grüße
    Andreas Diemer

    Antworten
  2. Sehr geehrter Herr Prof. Walz,

    das Kostenrisiko ist sicherlich einer der wesentlichen Gründe, weshalb Verbraucher vor dem Klageweg zurückschrecken. Wenn diese Hürde nun gesenkt wird, ist das eine sehr gut Nachricht. Was bleibt, ist der zeitliche Aufwand und die damit verbundenen Nerven.

    Meistens ist es besser, seine Entscheidungen vorher mit hinreichender Qualität zu treffen, um sich den ganzen Ärger hinterher sparen zu können.

    Viele Grüße,
    Heinz

    Antworten
    • Lieber Heinz, selbst bei Zeit und Nerven sind die Verbraucher im Falle der Verbandsklagen wohl entlastet… Aber ich gebe Ihnen eindeutig recht: trau, schau wem… vor dem Schaden klug sein, ist die bessere Variante 🙂
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
      • Lieber Prof. Walz,

        das glaube ich gut und gerne, derartige Themen (auch das eigene „Versagen“) beschäftigen einen aber auch jenseits des offiziellen Papierkrams. Und diese gedankliche Zeit wird meistens gar nicht quantitativ erfasst. Dann spricht man noch mit seiner Familie, Freunden und Bekannten darüber und schon verbrauchen Themen wie diese viel unserer „kostbaren“ Zeit.

        Von daher ist der von Ihnen genannte Grundsatz, lieber vorher bewusst etwas mehr Zeit zu investieren, die clevere Alternative.

        Viele Grüße,
        Heinz

        Antworten
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Prof. Dr. Hartmut Walz
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