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FINANZPORNOGRAFIE: Die 7 Tugenden dagegen

FINANZPORNOGRAFIE
Die 7 Tugenden dagegen

Als Hochschullehrer und neutraler Beobachter sind mir leise Töne und fundierte Analysen erheblich lieber als schrille (Werbe)Aussagen und marktschreierisches Auftreten…

Jedoch leben wir (leider) in einer Phase der Aufmerksamkeitsökonomie, in der Extremaussagen und das Ansprechen von Angst und Gier rund um Geldanlage und Vorsorge die Diskussion bestimmen.

Vor diesem Hintergrund macht es mir eine „diebische Freude“ heute einmal ein paar typische Behauptungen und Aussagen zu zerlegen, die ich in den letzten Wochen in der „Fachpresse“ sowie im Netz zu diesem Zweck für meine Studierenden und BlogleserInnen gesammelt habe. In allen Fällen habe ich die Fundstelle intern dokumentiert. Jedoch sehe ich davon ab, diese hier zu veröffentlichen, da ich die nächsten Monate nicht mit unerfreulichen Gerichtsprozessen gegen finanzstarke Gegner verbringen möchte 😉

Nicht schön, aber da

Der Ausdruck „Finanzpornografie“ ist sicher nicht schön. Jedoch zeigen die zahlreichen Google-Treffer bei Eingabe dieses Wortes (und auch seiner englischsprachigen Übersetzung), dass die Problematik reißerischer und den Durchschnittsanleger verwirrender und überfordernder Berichterstattung und (versteckter) Werbung ein ernst zu nehmendes Phänomen unserer Aufmerksamkeitsökonomie ist.

Genießen Sie nun also ein paar ausgewählte Muster, deren sich die Finanzpornografie gerne bedient und prüfen Sie kritisch, ob Sie die Manipulation beim schnellen Darüberlesen von alleine erkannt hätten. Das ist ein gutes Anti-LeO-Training!

 

Muster 1:
Gier des Lesers ansprechen

Beispiele:

  • Mit diesen Fonds werden Sie reich!
  • Das sind Deutschlands stärkste Aktien!
  • Die Investments der Sieger!
  • Gewinnen mit den Dividendenaristokraten!
  • Investieren Sie in die 200 % Fonds!
  • In sieben Jahren zur ersten Million!
  • Armut ist eine Schande!

Auswertung:

Diese Aussagen adressieren unsere – allzu menschlichen – Triebe und Gelüste nach „Sammeln“, Reichtum bzw. dem schnellen Reichwerden, sorgenfreiem Wohlstand und einem „schönen Leben“.

Auffällig ist, dass Risiken, Verlustängste und Rückschläge überhaupt nicht vorkommen oder angesprochen werden. Das Leben ist schön, Gewinne sind sicher und wer den „totsicheren Tipps“ nicht folgt, ist dumm und hat es nicht besser verdient. Also eine Schande!

 

Muster 2:
Angst des Lesers ansprechen

Beispiele:

  • Ihr Geld schmilzt!
  • Raus aus den Aktien!
  • Der Crash kommt!
  • Retten Sie Ihr Geld!
  • Entkommen Sie der Altersarmut!
  • Hunderttausenden droht der Rentenschock!

Auswertung:

Solche Formulierungen sprechen ausnahmslos unser „Angstzentrum“ an und fokussieren und überbetonen einseitig bestimmte Risiken – ohne den Blick für Gegenkräfte, Wahrscheinlichkeiten oder alternative Szenarien zu öffnen.

Humorvoll gesagt: Wer sich ausschließlich von diesen Untergangsprophezeiungen leiten lässt, sollte sich ein „Weltuntergangsportfolio“ aus Dauerkeksen, Karbidlampe, Trinkwasser und wärmenden Decken zulegen und auf jegliche Form zukunftsorientierter Kapitalanlagen verzichten…

 

Muster 3:
Irreführend den Anschein von Qualität, Schnäppchen oder Überrendite erzeugen

Beispiele:

  • Diese Fondsmanager sind Ihr Geld wert.
  • Mit diesen Fonds erzeugen Sie Überrenditen
  • Hier sollten Sie anlegen!
  • Diese Fondsmanager beweisen, dass aktives Management sich lohnt.
  • Mit diesen Fonds schlagen Sie den Markt.
  • Die besten Fonds weltweit

Auswertung:

Das durchgängige Muster dieser Aussagen ist die versteckte Annahme, dass es dauerhafte Überrenditen, nachhaltig „outperformende“ Fondsmanager, wirklich überlegene Kapitalanlagen gibt und dass man diese vorher – nicht nachher!!! – identifizieren und für sich nutzbar machen kann.

Diese Annahme widerspricht zwar allen bisherigen Kenntnissen der Finanzmarktforschung, aber bekanntlich stirbt ja die Hoffnung zuletzt und während die Älteren an ihrer Erfahrung reifen, wachsen stets Jüngere nach, die für diese Erfahrung erst Lehrgeld bezahlen müssen. Und daher kann man mit diesem (vergifteten) Speck immer wieder neue Mäuse fangen…

 

Und was bedeutet das nun konkret für Sie?

Sieben konkrete Schlussfolgerungen:

  • Über allem steht die langjährige Erkenntnis: „Hin und her – Taschen leer“. Seien Sie sich also dessen bewusst, dass die Finanzpornografie Sie ständig zum Handeln, zur Aktivität bewegen möchte.
  • Dem stelle ich die Erfahrung der Beduinen entgegen: Jede Bewegung schwächt! Daher empfehle ich Ihnen zwar, dass Sie gerne viel denken und analysieren, aber weniger handeln – vor allem nicht zu spontan. Vermeiden Sie hektische Aktivitäten nach dem Motto: „Hauptsache voran – die Richtung ist egal“.
  • Erkennen Sie, dass der größte Teil der Finanzpornografie Sie zum Kaufen motivieren möchte. Einer Verkaufsempfehlung steht regelmäßig eine Mehrzahl von Kaufempfehlungen gegenüber. Im Ergebnis also eine positive Verzerrung (optimistic bias).
  • Wer Ihnen zum Verkaufen oder zum Sichern rät, hat meistens gleich eine defensive Kaufalternative zur Hand. Also zum Beispiel eine Umschichtung von Wachstumswerten in weniger volatile Value-Werte bzw. Aktien im Bereich der Grundversorgung. Oder die Reinvestition Ihrer Verkaufserlöse in Gold oder andere Edelmetalle oder Rohstoffe. Also auch hier wieder ein Profitieren von Ihrer Aktivität – oftmals auffällig eng gekoppelt an konkrete Anschlussgeschäfte.
  • Bitte vergessen Sie nie, dass historische Erfolge von Investments (z. B. aktiven Fonds) keinerlei Prognosekraft für die Zukunft besitzen. Beispielhaft sei hier das Zitat des Nobelpreisträger William F. Sharpe wiedergegeben, der sagte: Das einzige Kriterium zur Prognose der Performance eines Fonds sind seine Kosten!
  • Entwickeln Sie ein Bewusstsein für die manipulative Wirkung von Formulierungen im Konjunktiv: Aussagen wie: „Mit dieser Anlage können Sie reich werden“ oder Mit Roboteraktien können Sie den Markt schlagen“ oder „Mit diesem Fonds können Sie über 20 % jährliche Rendite erzielen“, sind genau so viel wert wie die Aussagen: „Sie können im Lotto gewinnen“ oder „Sie können deutscher Bundespräsident werden“.
  • Seien Sie ebenso vorsichtig angesichts von Crash-Aussagen. Bitte bedenken Sie: Wenn man einen Crash vorhersagt, hat man früher oder später Recht. Mir selbst hat folgendes Zitat sehr geholfen: Das ist ein toller Experte – er hat die letzten vier Crashs alle korrekt vorhergesehen. Allerdings auch darüber hinaus 17 Crashs, die gar nicht eingetreten sind…. 😉

 

Im Zweifel bei Finanzpornografie einfach nicht hinhören, nicht hinsehen, nicht hinklicken. In der Ruhe liegt die Kraft.

Bei diesem Blogbeitrag verdiene ich gar nichts an Ihnen, selbst wenn Sie ihn zehn Mal weiterempfehlen. Jetzt können Sie also hemmungslos klicken…

Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!

 

 

Erschienen am 27. Oktober 2017.

2 Gedanken zu „FINANZPORNOGRAFIE: Die 7 Tugenden dagegen“

    • Vielen Dank, lieber Herr Krüger. Ich habe auch schon die nächsten Ideen… Kommenden Freitag erscheint erst einmal der Gastbeitrag von Dipl.-Psych. Ulrich Bosetti. Ein toller Fachmann – also auch Grund zur Vorfreude 😉
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

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Prof. Dr. Hartmut Walz
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