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Ihre Geldbiografie: Der Schlüssel zum Zusammenspiel von Geld und Werten – ein Gastbeitrag von Dr. Birgit Happel

GASTBEITRAG DR. BIRGIT HAPPEL, SOZIOLOGIN
Ihre Geldbiografie:
Der Schlüssel zum Zusammenspiel von Geld und Werten

Welche Kompetenzen braucht es für einen klugen Umgang mit Geld? Meine These lautet, dass hier nicht nur mehr oder weniger profundes Finanzwissen zählt, …

sondern auch die Einsicht in die eigene Geldbiografie. Mit Geldbiografie meine ich die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Geld und Lebensgeschichte. Ihre ganz persönliche Lebensgeschichte und hier insbesondere Ihre Kindheitserfahrungen und -erlebnisse mit Geld haben Ihre Einstellung und Werte zu Geld geprägt. Die Einsicht in die eigene Geldbiografie eröffnet die Chance, sich Klarheit über diese – zum Teil unbewussten – Einflüsse auf Ihr Geldverhalten zu verschaffen. Und damit hoffentlich künftig entspannter und erfolgreicher mit Geld umzugehen.

Erfahren Sie, wie Ihre Biografie Ihren Umgang mit Geld prägt

Haben Sie schon einmal über Ihr Geld-Mindset nachgedacht? Welcher Geldtyp sind Sie? Welches ist Ihr dominantes monetäres Handlungsmuster? Geben Sie gerne Geld aus? Oder gehen Sie lieber auf Nummer sicher und leben sparsam? Passen Sie Ihren Umgang mit Geld den jeweiligen Gegebenheiten an?

Humorvoll brachte es eine Interviewpartnerin meiner wissenschaftlichen Untersuchung zum Umgang mit Geld auf den Punkt: „Mein Mann der guckt ins Sparbuch und freut sich – und ich denke mir, ach heute hast du dir wieder etwas Schönes gekauft!“ Wobei hier keine Stereotypen reproduziert werden sollen, denn der umgekehrte Fall taucht ebenfalls häufig auf und kann mindestens genauso konfliktträchtig werden.

Grafik: © Museum für Kommunikation Frankfurt
Wechselausstellung „Über Geld spricht man doch!“ im Museum für Kommunikation

 

Über Geld spricht man nicht?

Das Thema Geld zu enttabuisieren war eines der Anliegen der Ausstellung im Museum für Kommunikation in Frankfurt. Unsere Prägungen, Einstellungen und Wertvorstellungen zum Geld sind eng mit unserer Lebensgeschichte verknüpft. Und dadurch mit unserer Familiengeschichte. Wie wurde in Ihrer Familie über Geld gesprochen? In der Geld- und Konsumerziehung können sich Sozialisationsgewinne ergeben, aber auch Sozialisationsfallen auftun – je nachdem, wie die Finanzerziehung verlaufen ist und welche Bedeutung dem Geld in Ihrer Herkunftsfamilie zugeschrieben wurde.

Ihre Prägungen im Umgang mit Geld hängen unter anderem davon ab, welche finanziellen Vorbilder Sie hatten – oder auch welche Gegenbeispiele. Beispielsweise auch davon, welche Nachahmungseffekte Sie partout vermeiden möchten. So können finanzielle Eskapaden der Eltern als Warnung dienen, um selbst sehr genau auf die eigenen finanziellen Mittel zu achten.

Das Beispiel ihrer Eltern, die beide das Geld eher leichter ausgaben – „…nach dem Motto: kaufst du dir ein neues Klavier, kaufe ich mir noch schnell eine neue Küche“ – lehrte eine Interviewpartnerin, sich ihr Budget einzuteilen und Rücklagen zu bilden. Allerdings gibt es hier keine kausalen Zusammenhänge und es kann genauso gut sein, dass Kinder in die gleichen Geld-Fallen tappen wie einst ihre Eltern.

„Der Geldstil von Erwachsenen wird in ihrer lebensgeschichtlichen Vergangenheit vorbereitet“ so der Soziologe und Sozialpsychologe Rolf Haubl. Durch welche Gelderfahrungen wurden Sie geprägt? Welche Geldsprüche haben Sie in Ihrer Familie gehört? Welche Geldbotschaften wurden transportiert – offen und latent kommuniziert, explizit und implizit vermittelt?

Was wir über Geld hören, worüber geschwiegen wird und wie uns der Umgang mit Geld im Alltag vorgelebt wird, prägt den eigenen Umgang mit Geld von früher Kindheit an. Daher ist die Veränderung von Einstellungen zum Geld und der damit verbundenen Wertorientierungen so schwer.

Explizite und implizite Geldbotschaften

Die Weitergabe von Geldbotschaften geschieht sowohl als explizite Handlungsempfehlung, etwa „Wir kaufen uns nichts auf Pump“ als auch implizit und en passant. Ein Beispiel hierfür wäre die Botschaft „Du sollst nicht erfolgreicher sein als ich.“

Interessant wird es, den Ambivalenzen und Doppelbotschaften nachzuspüren, die beim Thema Geld unweigerlich mitschwingen. Geldnormen und sozialmoralisch geprägte Überlieferungen zum Geld und zum rechten Maß beeinflussen auch heute noch unsere Einstellungen zum Geld. Sie sind nicht selten der Grund für Diskrepanzen zwischen Worten und Taten – wie sie auch aus der Nachhaltigkeitsforschung bekannt sind. Wir wissen heute Bescheid über Warenkreisläufe, Produktionsbedingungen, soziale, ökologische und globale Folgen unseres Konsums und handeln im Alltag oft nicht entsprechend.

Die Kluft zwischen geldbezogenen Ansprüchen und Haltungen verdeutlicht auch folgende Aussage einer Interviewten: Mit diesem extremen Gegensatz bin ich aufgewachsen. Auf der einen Seite ist für Äußerlichkeiten viel Geld geflossen, und wenn ich zum Beispiel Schulbücher bezahlen musste, hieß es immer, da haben wir kein Geld.

Geld und Lebensgeschichte

In meiner biografieanalytischen Studie schälte sich der Umgang mit Geld als „Co-Autor“ und Abbild der Lebensgeschichte heraus. Viele Lebensentscheidungen sind von unserem Umgang mit Geld beeinflusst – und dieser ist wiederum geprägt durch unsere Biografie.

Die Biografieforschung lässt Raum für subjektive Sichtweisen und Logiken und nimmt zugleich gesellschaftliche Strukturen in den Blick. In der persönlichen alltäglichen Lebensführung sind strukturelle und psychosoziale Faktoren unauflöslich miteinander verknüpft.

Dass die Geldpraxis sowohl als funktionale (nützliche, förderliche) wie als disfunktionale (unzureichende, unzweckmäßige) Bewältigungsstrategie der Lebensführung fungiert, kann ich in meiner Arbeit als Referentin für Wirtschaftsbildung und Biografiearbeit eindrücklich beobachten. Wenn der eigene Umgang mit Geld gelingt, kann dies Stolz aktivieren und die persönliche Handlungsfähigkeit stärken. Das Zitat „wir haben uns alles selbst erarbeitet“ drückt Stolz auf die eigene finanzielle Kraft und Kompetenz aus, die wiederum als wirksames Mittel der Lebensbewältigung dient.

Stellen Sie sich vor, der Wind des Lebens bläst Ihnen hart ins Gesicht und nun entgleiten Ihnen auch noch die Finanzen. Umgekehrt kann es für das Aufrechterhalten von Handlungsspielräumen während krisenhafter Lebenssituationen ungemein förderlich sein, wenn Sie es gelernt haben, Ihre Finanzen im Griff zu behalten. Problematische Lebenslagen und Lebenskrisen haben zumeist mehr oder weniger großen Einfluss auf die finanzielle Situation. Wer erst jetzt lernen muss, klug mit seinen finanziellen Mitteln zu wirtschaften, den können solche Schläge noch viel härter treffen.

Kennen Sie Ihre Wertorientierungen? Worauf legen Sie beim Thema Geld und Finanzen Wert? Was sind Ihre Werthaltungen in puncto Investition, Nachhaltigkeit, Ausgabefreude und Ausgabezurückhaltung? Welche Geldbotschaften haben Sie verinnerlicht? Welche vielleicht umgedeutet? Welche geben Sie selbst weiter?

Wenn Sie sich mit Ihrer Geldbiografie, Ihren (Lebens-)Zielen und Werten beschäftigen, kommen Sie der Logik und Sinnhaftigkeit Ihres Handelns auf die Spur und sind besser gewappnet gegen die Verheißungen des Marktes, psychologisch geschulte Verkäufer oder gar unseriöse Anbieter.

Werte weisen Wege – ein Blick auf die eigene Geldbiografie lohnt sich!

 

Erschienen am 02. Februar 2018

15 Gedanken zu „Ihre Geldbiografie: Der Schlüssel zum Zusammenspiel von Geld und Werten – ein Gastbeitrag von Dr. Birgit Happel“

  1. Hallo Frau Dr. Happel & Prof. Walz,

    ich freue mich sehr hier auch eine Frau zu Finanzthemen schreiben zu sehen. Es darf bei den Gastbeiträgen gern paritätisch sein.
    Nachdem ich das Thema Finanzen selbst jahrelang verdrängt habe, befasse ich mich derzeit mit nunmehr Anfang 40 zum ersten Mal konkret damit und lese daher u.a. diesen Blog.
    In Gesprächen mit Frauen über Geld, wurde mir mehrfach erklärt, der Mann kümmert sich um die Finanzen der Familie – und das im Jahr 2018! Auch von Frauen, die sonst modern in Ihrer Lebensführung scheinen. Was unterscheidet die Geldbiografien von Männern und Frauen derart, dass das Thema Geld und Finanzen noch immer hauptsächlich den Männern überlassen wird (und dadurch soviele Frauen in die Altersarmut rutschen)?
    Zahlreiche Studien zeigen: Frauen können Finanzen, oftmals sogar besser – zumindest diejenigen, die sich damit befassen ,z.B:
    – bei Börsenspielen schneiden Frauen etwa 5% besser ab, auch beim Börsentraining der dt. Börse u.d. Handelsblatts schneiden sie durcgschnittlich besser ab als Männer
    – Unternehmen mit Frauen in der Führungsetagen wirtschaften erfolgreicher
    – Männer brachten es im Zeitraum Aug 2014 – Aug 2015 auf 4,1 % Rendite, Frauen auf 5,8%
    Ich wünsche mir mehr Frauen an der Finanzfront, die auch darüber sprechen und schreiben (vielleicht sogar für Frauen ansprechender), damit mehr Frauen geneigt sind sich frühzeitig mit Geld zu befassen. Es ist einfach zu wichtig das Thema.
    Was sagen Ihre Erfahrungen dazu Frau Dr. Happel & Prof. Walz?

    Beste Grüße
    Melanie

    Antworten
    • Liebe Melanie, herzlichen willkommen auf diesem neutralen, unabhängigen, werbefreien Finanzblog. Und viel Erfolg und Spaß beim selbst um die Finanzen kümmern 😉
      Frau Dr. Happel ist ja Gott sei dank nicht die einzige Finanzenfrau, die einen Gastbeitrag hier im Blog schrieb… ich komme auf vier… 😉 – den jüngsten Gastbeitrag schrieb die Geldfrau Dani Parthum! http://schliesslich-ist-es-ihr-geld.de/lieber-seo-als-leo-wie-sie-zu-einem-schwer-erreichbaren-opfer-von-finanzproduktverkaeufern-werden-zum-seo/
      …und es geht weiter…
      Ja, ich gebe Ihnen recht, Finanzen sind nicht schwer (wie Bäume fällen oder Kisten schleppen) – also nicht nur was für kräftige Männer. Und Finanzen sind auch nicht schwierig bzw. müssen es nicht sein 😉
      In diesem Sinne, gerne weitersagen – und selbst immer schön dranbleiben!
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
      • Liebe Melanie,
        ich freue mich über Ihre Zeilen – Sie haben recht, es ist zum Teil unfassbar, wie wenig sich Frauen um ihre Finanzen gekümmert haben. Einer der Gründe dafür ist: sie hatten und haben alle Hände voll mit dem Thema „Care“ zu tun, ich spreche aus eigener Erfahrung als pflegende Angehörige. Aber wir stehen mitten in einem Zeitenwechsel und blicken frohen Mutes nach vorne! Kommen Sie doch in unsere Facebook-Gruppe, die Dani Parthum und ich leiten – der Name ist Programm: Frauen können Finanzen!

        Antworten
  2. Sehr geehrte Frau Dr. Happel,
    Ihre Ausführungen passen haargenau zu meinen Erfahrungen als Business-Coach von vielen hochqualifizierten Frauen.
    Da gibt es häufig den leider geschlechtsspezifisch erworbenen Glaubenssatz, „bescheiden“ sein zu müssen- der am Erfolg in punkto Geld häufig unbewusst im Wege steht.
    Ist dieser aufgelöst, ist die „Bahn frei“ für höhere Stunden-/Tagessätzen oder Monatsgehälter:-)
    Viele Grüße
    Alexandra Battenberg, Coaching und Consulting, Frankfurt a. M.

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  3. Sehr geehrte Frau Dr. Happel,

    auch von meiner Seite einen herzlichen Dank. Das Wort „Geldbiografie“ habe ich vorher noch nie gehört und mir auch über den Kontext keine Gedanken gemacht.
    Sie haben Recht: Über Geld sollte man erstens sprechen und zweitens über die eigene Einstellung zum Gelde immer mal wieder nachdenken.
    Meine bisherige Einstellung: „Geld ist doch nicht so wichtig“ erkenne eich jetzt als Verdrängung. Und gerade wenn Geld immer knapp ist, hat dieser Mangel ja doch Auswirkungen in alle Lebensbereiche.
    Kann man Sie eigentlich als Privatperson „buchen“?
    Herzlichen Dank
    Christiane F. aus Düsseldorf

    Antworten
    • Liebe Frau F.,
      schauen Sie doch mal auf meiner Homepage, über meine Kooperationspartner stehe ich gerne zur Verfügung.
      Viele Grüße, Birgit Happel

      Antworten
  4. Sehr geehrte Frau Dr. Happel,
    Ihr Beitrag war für mich ein absoluter Augenöffner!
    Sehr, sehr wertvoll.
    Warum kommt man auf sowas nicht von alleine?
    Herzlichen Dank und viele guten Wünsche für Ihre wichtige Aufklärungsarbeit.

    Herzlich
    Susanne N. aus Weimar

    Antworten
    • Liebe Frau N.,
      vielen Dank für Ihre Wertschätzung! Im Alltag sind wir oft viel zu eingebunden, um uns Zeit für die eigene Biografie zu nehmen, aber ich hoffe, Sie bleiben sich auf der Spur!
      Herzliche Grüße, Birgit Happel

      Antworten
  5. Liebe Frau Dr. Happel,

    Sie haben bei mir und meinem Mann in positiver Weise einen Damm zum Einsturz gebracht und eine sooooo wertvolle Diskussion in Gang gesetzt.

    Haben Sie vielen lieben Dank dafür – Sie haben uns damit wirklich sehr geholfen!

    Ein ganz herzliches Dankeschön
    von Inge und Klaus B.

    Antworten
    • Liebes Ehepaar B.,

      das freut mich sehr und entschädigt für einsame Stunden der Auseinandersetzung mit dem Interviewmaterial!

      Alles Gute und viele Grüße, Birgit Happel

      Antworten
  6. Sehr geehrte Frau Dr. Happel. Bei „Wir kaufen uns nichts auf Pump“ habe ich explizit meine Mutter „gehört“. Bei weiterem Nachdenken erinnere ich mich an „unser Geld geht keinen was an“ und „wer den Pfennig nicht ehrt, ist den Taler nicht wert“. Ja, ich denke, solche Sprüche haben mich geprägt. Und irgendwie sitzt das für immer in einem drin.
    Das ist zwar schade. Aber gut ist, dass Sie das so nachvollziehbar ansprechen, danke.
    Mit den besten Grüßen
    M. Schwegert

    Antworten
  7. Geldbiografie, das hatte ich noch nie gehört. Ansatz und Idee finde ich jedoch spontan einleuchtend und bedenkenswert. Vielen Dank, Frau Dr. Happel für diesen Impuls sagt Doreen Schreiber

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Prof. Dr. Hartmut Walz
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