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PERPETUUM MOBILE BEI FINANZEN? – 10 böse Haken

PERPETUUM MOBILE BEI FINANZEN?
10 böse Haken

Als Professor mit der Spezialisierung Finanzdienstleistungen und als Fachbuchautor im Bereich Verbraucherschutz für private Anleger bin ich ja schon hartgesotten und einiges gewohnt.

Als nun aber gleich mehrere Studierende „meiner“ Hochschule Rat bei mir suchten, die folgendes Angebot eines Strukturvertriebs erhalten hatten, stieg doch mein Blutdruck. Hoffentlich sind Sie (noch) nicht auf den Leim gegangen…

Die Mogelpackung im Einzelnen

Der Strukturvertrieb bietet eine sich angeblich von alleine bezahlende Altersvorsorge an – sozusagen ein finanzielles Perpetuum mobile.

Und das geht so: Der Kunde soll eine bereits vermietete „Rendite-Immobilie“ – gerne ohne oder mit nur geringen Eigenmitteln erwerben. Mario Draghi sei Dank, kann diese sehr preiswert finanziert werden, d. h. die monatlichen Zinsen für das Darlehen bleiben ein gutes Stück unter den Mieteinnahmen. Also bleibt beim Investor (also meinen Studierenden) annahmegemäß Monat für Monat ein Überschuss – nämlich die Differenz zwischen Mieteinnahmen einerseits und den Zinszahlungen an die Bank andererseits. Und exakt dieser soll dann in einen Vorsorgevertrag einbezahlt werden.

So bezahlt der „dumme Mieter“ also die Altersversorgung meiner „intelligenten Studierenden“.

Je nach Variante enthält der „Vorsorgevertrag“ sogar einen Unfall- und/oder Todesfallschutz. Und gerne ist eine BU, also Berufsunfähigkeitsversicherung auch mit drin. Warum eigentlich nicht gleich zwei, drei, viele dieser lukrativen Mietwohnungen? Das ist doch eine Lizenz zum Gelddrucken?

Wenn etwas zu gut klingt um wahr zu sein,
dann ist es meistens auch nicht wahr!

Wo ist nun der Haken bei diesem Angebot?

Die Antwort lautet: Es gibt nicht einen Haken, sondern gleich eine ganze Menge von Haken. Und das meinen Studierenden angebotene Geschäft ist aus meiner Sicht ein klarer Fall von „legalem Betrug“.

Gerne will ich die Haken – einen nach dem anderen – abarbeiten, freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

   1.   Bruttomiete statt Nettomiete

Zunächst hat der pfiffige Berater die Bruttomiete der vermieteten Eigentumswohnung mit dem Zinsaufwand für die Gegenfinanzierung verglichen. Richtig wäre die Gegenüberstellung von Nettomiete und Zinsaufwand, denn jeder Vermieter trägt nicht umlagefähige Nebenkosten und sollte auch monatlich eine Rücklage für nötige Instandhaltung einkalkulieren. Hierdurch schmilzt der – scheinbar attraktive – Differenzbetrag.

   2.   Zinsänderungsrisiko nach Ende der Festschreibungsdauer

Die Finanzierung wurde mit einer Zinsfestschreibung von zehn Jahren kalkuliert. Wenn aber in zehn Jahren nach Ende der Zinsfestschreibung die Zinsen wieder höher sind (wir haben aktuell eine sehr extreme Niedrigzinsphase), dann wird aus dem Überschuss schnell ein Fehlbetrag.

   3.   Kombiprodukt: tilgungsfreie Finanzierung plus Vorsorge

Die Finanzierung wurde tilgungsfrei gestellt, d. h. der Anleger zahlt lediglich die Zinsen. Anstelle einer Tilgung zahlt er ja in den Vorsorgevertrag ein, der als „sehr vorteilhaft“ beschrieben und mit einer beispielhaften Modellrechnung unterlegt wurde. Jedoch zeigt die ganz überwiegende Praxis, dass sich die Verträge ganz erheblich schlechter entwickeln. Ohne hier ins Detail zu gehen, kann das auch daran liegen, dass die Modellrechnungen keine Kosten einbeziehen müssen (und damit also völlig unverbindlich und für die Katz sind). Auf Tilgungsaussetzungsmodelle wird der nächste Blogbeitrag noch näher eingehen.

   4.   Nenner-Effekt: Aktuelle Wohnungsnot erbringt Miete auch für hässliche Entlein

Die hohe Mietrendite der zum Kauf angebotenen Eigentumswohnung geht meist – und so auch in den konkret geprüften Fällen – mit schlechter Lage und Qualität der Immobilie einher. Die Kaufpreise solcher Eigentumswohnungen – oft schon 25 bis 50 Jahre alt, sind im Vergleich zu jüngeren Immobilien oder Neubauten recht niedrig. Der günstige Preis ist jedoch dem minderen Standard und der damals billigen Bauweise geschuldet. Sowie auch einer unattraktiven Lage, einer meist nicht mehr ganz zeitgemäßen Ausstattung und einem ebenso unzeitgemäßen Wohnungszuschnitt. Da hilft auch keine „Pinselsanierung“. Aus dem Verhältnis des – durch die aktuelle Wohnungsnot trotzdem – erzielbaren Mietpreises und dem vergleichsweise geringen Anschaffungspreis ergibt sich dann eine Mietrendite von oftmals über 3,5 %, zum Teil bis zu 5 %, welche für einen unerfahrenen Anleger reizvoll erscheint.

   5.   Leerstand, Mietpreissenkung oder teure Grundsanierung drohen

Die Frage ist nur, wie lange diese Mietrendite noch erzielbar ist. Denn, sobald sich die Lage am Wohnungsmarkt entspannt, droht das Trio „Leerstand“, „Mietpreissenkung“ oder „teure Grundsanierung“, um die Wohnung wieder vermietbar zu machen – auf alle Fälle mit dann gesunkener Mietrendite.

   6.   Restnutzungsdauer und Substanzverlust der Immobilie

Auch Immobilien haben eine begrenzte Restnutzungsdauer, was der unbedarfte Anleger leicht vergisst. Die zwei Prozent Standardabschreibung auf den Gebäudeanteil, die das Steuerrecht erlaubt, sind ein Indiz dafür. Hundert Prozent Wert durch zwei Prozent Abschreibung pro Jahr ergibt 50 Jahre Lebensdauer. Und auch wenn man optimistisch ist und (ggfs. mit Sanierung etc.) auf eine doppelt so hohe Lebensdauer hofft, bliebe immer noch ein jährlicher Wertverlust von einem Prozentpunkt pro Jahr. Dieser ist bei der Bewertung von der Mietrendite gedanklich abzuziehen, denn er stellt Substanzverzehr dar, macht also den Anleger ärmer. Nichts ist mit Perpetuum mobile.

   7.   Ignorierte Objektrisiken

Wo Risikoprämien sind, da sind auch Risiken. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll hier nur auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass der aktuelle oder nächste Mieter sich als zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig – oder gar als Mietnomade entpuppt. Oder das Objekt durch Verschlechterung der Mieterstruktur oder der Umgebung (einziger Supermarkt in der Nähe schließt, oder Straße wird zur Hauptverkehrsader ausgebaut) an Wert verliert.

   8.   Klumpenrisiko Immobilie

Immobilienbesitz bedeutet immer Klumpenrisiko, d. h. eine Streuung (Diversifikation) ist für den Kleinanleger nicht möglich. Er kann mit ganzen Immobilien oder Wohnungen nicht mit ein paar Tausend Euro schon auf viele unterschiedliche Karten setzen.

   9.   Übersehener Bonitätsverbrauch

Wer das beschriebene Paket des Strukturvertriebs kauft, setzt seine persönliche Kreditwürdigkeit ein. Dies wahrscheinlich, ohne es zu bemerken und zu verstehen. Den „günstigen“ Zinssatz bekommt er nur auf das erste Objekt, da er mit seiner persönlichen Bonität für die Rückzahlung des Kredites haftet. Der Anleger – nicht der Finanzierer – trägt das unternehmerische Risiko dieser Konstruktion. Und genau aus diesem Grund würde der Finanzierungspartner auch nicht zulassen, dass der Anleger fünf oder zehn dieser Pakete schnürt, da er dieses Risiko nicht mehr tragen könnte. Es sei denn, der Anleger hätte hohes unbelastetes Vermögen, welches als Sicherheit zur Verfügung steht. Hierfür müsste man dann aber eine Risikoprämie in Rechnung stellen.

   10.   Schlechtes Vorsorgeprodukt verpackt

Letztlich fiel in den betrachteten Fällen auf, dass das parallel angebotene Vorsorgeprodukt zu den schlechtesten am Markt gehört. Verbraucherunfreundliche Bedingungen, inadäquate Risikoausschlüsse und insbesondere hohe – zum großen Teil versteckte – Kosten machen das Produkt sehr attraktiv, aber nur für den Vermittler und den Finanzdienstleister!

 

Und was bedeutet das nun konkret für Sie?

Diesmal kann ich es recht kurz machen:

  • Finger weg von solchen „Rundum-Sorglos-Paketen“ im Perpetuum-mobile-Gewand! Siehe oben, die bösen Haken 1 bis 10. Und einfach die Wiederholung: Wenn etwas zu gut klingt um wahr zu sein, dann ist es meistens auch nicht wahr.

Die beiden zentralen und fatalen Knackpunkte sind:

  • Eine hohe Mietrendite kann (ebenso wie eine hohe Dividendenrendite) durch den Nenner-Effekt kommen. Hier also den relativ niedrigen Immobilienpreis im Vergleich zur Miete.
  • Die begrenzte Restlaufzeit derartiger Objekte lässt die Rendite attraktiver erscheinen als sie ist, da eben kein langfristiger Fortbestand der Mietzahlungen zu erwarten ist.

Eine betriebswirtschaftliche Grundregel lautet: Wenn zwei Kranke sich zusammentun, wird daraus kein Gesunder.

Auf das obige Angebot des Strukturvertriebs bezogen bedeutet dies: Wenn man eine Schrottimmobilie mit ebenfalls „schrottigen“ Vorsorgeverträgen kombiniert, dann wird daraus keine gute Altersversorgung – es ist eher etwas für die Entsorgung.

Haben Sie auch solche oder andere traumhafte Perpetuum-mobile-Versprechen erhalten? Ich wäre gespannt. Schreiben Sie mir.

Vorher noch diesen Blogbeitrag teilen und dann… weiter träumen 😉

Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!

 

Erschienen am 29. September 2017.

12 Gedanken zu „PERPETUUM MOBILE BEI FINANZEN? – 10 böse Haken“

  1. Lieber Herr Walz,
    sie haben wieder einmal sehr treffend beschrieben, was leider heute immer noch zu oft vorkommt. Und was mich am meisten bestürzt, ist unser Schulsystem, dass nämlich nicht in der Lage ist, solche simplen Regeln in den oberen Schulklassen zu vermitteln. Ich suche auf den Stundentafeln der Kinder vergebens ein Fach, welches nur im Entferntestem mit Wirtschaft zu tun hat. Somit bleibt es wieder an den Eltern hängern (sofern diese überhaupt das nötige Wissen haben), der nächsten Generation die Grundlagen und Fallstricke dieser Thematik beizubringen.

    Ich kann Sie nur ermutigen immer weiter dran zu bleiben und werde Ihr Blog weiter „streuen“.

    Viele Grüße
    Ingo Duschl

    Antworten
    • Herzlichen Dank, lieber Herr Duschl. Na klar, mache ich weiter! Und ich halte sogar auch Vorträge vor Schülern und Lehrern 😉
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
  2. Ja Herr Professor, da wird viel Schrott verkauft. Und ich war auch ein LeO, bin aber schon von alleine nach Schaden klüger geworden.
    Nach dem Abschluss von exakt so einem „Paket“ wie von Ihnen beschrieben, war ich zwei, drei Jahre glücklich. Dann kam zuerst der Ärger mit der vermieteten Immobile (Reparaturen, Mieterwechsel, Arbeit ohne Ende). Dann nach Auslaufen der Zinsbindung der Ärger mit der Finanzierung. Und schliesslich zeigte sich eine riesige Deckungslücke wegen schlechter Ablaufleistung des Tilgungsträgers.
    Warum lernt man nicht in der Schule, wie man sich gegen so etwas schützt?

    Habe Ihren Blogbeitrag an alle Bekannten weitergeschickt. Ein wenig aus Dankbarkeit Ihnen gegenüber. Aber vor allem aus Rache an diesen skrupellosen Abzockern, die hart arbeitenden Menschen so einen Schrott aufdrehen.

    Bleiben Sie tough

    M. Wittig

    Antworten
    • Lieber Herr Wittig, vielen Dank. Ich helfe übrigens auch an Schulen – in letzter Zeit immer öfter. Bleiben auch Sie tough.
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
  3. Lieber Herr Professor Dr. Walz,
    Unglaublich.
    Dieses Kombiprodukt gibt es schon seit mehr als 40 Jahren und es hat sich noch nicht rumgesprochen, dass es sich hier um ein windiges Geschäftsmodell handelt. Nicht einmal In der der Phase als die Tagesgeldzinsen bei 4% – 5% lagen hat dieses Kombiprodukt funktioniert. Für mich ist dies klar ein Fall von betrügerischem Vorgehen. Ihre 10. Punkteliste trifft hier voll ins Schwarze.
    Danke für die Aufklärung ihrer Mitmenschen, weiter so.
    Beste Grüße Thomas Durst

    Antworten
    • Lieber Herr Durst, herzlichen Dank für Ihre Bekräftigung. An einer Stelle muss ich aber beschwichtigend anmerken, dass das Geschäftsmodell leider unseren rechtlichen Vorgaben nicht widerspricht, also in dem Sinne nicht betrügerisch ist. Von legalem Betrug möchte ich insoweit aber auf alle Fälle sprechen. Und von der ethisch-moralischen Seite bin ich ohnehin ganz bei Ihnen 😉
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
  4. Guten Abend Herr Professor,

    leider haben Sie mit Ihren zehn Punkten den Nagel auf den Kopf getroffen. Mir ist exakt das passiert, was Sie beschrieben haben.
    Ich zahle nun schon Jahre drauf und ärgere mich teils über die Dreistigkeit des Vermittlers und teils über mich selbst.
    Wenn Sie andere vor solchen Machenschaften bewahren können, dann wäre das wirklich gut.
    Herzliche Grüße

    M. Klein

    Antworten
  5. Man könnte meinen, die Strukturvertriebe denken, Sie hätten es mit Dummies zu tun. Unglaublich! Danke für die mal wieder sehr hilfreiche Aufklärung, Herr Walz. Der Martin

    Antworten
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Prof. Dr. Hartmut Walz
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