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Hanf im Depot? Cannabis-Aktien – zum in der Pfeife rauchen?

HANF IM DEPOT?
Cannabis-Aktien – zum in der Pfeife rauchen?

Als ich Ende 2014 erstmals von meinen Studierenden auf Cannabis-Investments angesprochen wurde, dachte ich noch, dass diese gerade „etwas geraucht“ hätten. Begann aber, dieses Nischenthema ganz nüchtern zu recherchieren.

 

Spätestens im Laufe des Jahres 2018 wurden „Cannabis-Aktien“ gesellschaftsfähig.

In den letzten Monaten erhalte ich verstärkt durchaus ernst gemeinte Anfragen, welche Cannabis-Aktien ich denn besonders empfehlen könne. Erst kürzlich wieder von einer aparten Frau, die meinte, in ihrer Jugend hätte sie auch schon Cannabis geraucht und schlecht sei das nicht gewesen. Also…  😉

 

Falls Sie sich jedoch bei den einzelnen Begriffen (noch) nicht so gut auskennen, hier mal eine kleine Begriffsübersicht:

 

Aurora, Canopy Growth, Tilray, Aphria, Wayland
Was darf es denn sein?

Wenn Ihnen diese „klingenden Namen“ nichts sagen, dann ist der Cannabis-Hype an Ihnen vorbei gegangen. Und Sie sind auch sonst nicht „im Stoff drin“  🙂

Und ob das gut oder schlecht ist, muss sich erst noch zeigen.

 

Vorab: Hanf ist nicht nur zum Rauchen da…

Auch wenn ich das zum humorvollen Einstig ein wenig einseitig dargestellt habe:

Es gibt drei wesentliche Nutzungsbereiche von Hanf, und zwar

  • Freizeitkonsum („Rauchen“) derzeit in Kanada, 10 US-amerikanischen Bundesstaaten und auch Luxemburg legalisiert – das löst das aktuelle Interesse aus
  • Medizinische Anwendungen (insbesondere als Arzneimittel in der Schmerztherapie)
  • Industrielle Verwendungsmöglichkeiten – Hanf ist als nachwachsender Rohstoff wegen seiner einfachen Kultur und vollständigen Nutzbarkeit beliebt (Kleidung, Hanfseile, Taue und Takelagen für Schiffe, Verbandstoffe, Papier, Dämmstoffe in der Bau- oder Automobilindustrie usw.)

 

Daneben gibt es noch weitere Nischenanwendungen, aus denen Potential für die Hanfbranche kommen könnte, aber nicht zwangsläufig muss.

So experimentieren Bierhersteller mit alkoholfreien, dafür jedoch Cannabis-infundierten Getränken. Die Beteiligung des Brauerei-Riesen Constellation Beer (sicher kennen Sie die Marke „Corona“) an einem großen kanadischen Hanfproduzenten hat hier Anlegerphantasien ausgelöst… die sich erst noch bewahrheiten müssen.

 

In jedem Falle gilt aber:
Achtung, bei Erfolgsmeldungen immer wachsam sein.

So behauptet eine Zeitungsnotiz z.B. dass schon 15% der Dämmmaterialien der Automobilindustrie weltweit aus Hanf-Fasern bestehen.

Leider falsch herum: 15% der Hanf-Fasern gehen an Automobilhersteller, machen dort aber nur einen Promillebereich aus. Denn: Der Markt für Hanf-Fasern ist sehr klein. Der Markt für Dämmmaterialien in Automobilindustrie ist hingegen sehr groß.

Ein herrliches Beispiel für den sogenannten Roundtrip Error! – Lesen Sie mehr dazu in Kapitel 37 „Logik-Karussell“ in meinem Buch „Einfach genial entscheiden – Die 55 wichtigsten Erkenntnisse für Ihren Erfolg“.

 

Kurz eine Ebene höher 

Vor der Frage „welche Hanf-Aktien“ besonders empfehlenswert seien, steht nämlich die grundsätzlichere Frage, ob man überhaupt in Hanf-Aktien investieren sollte.

Und noch grundsätzlicher: Die Frage, ob es prinzipiell sinnvoll ist, Investments unter dem Gesichtspunkt der Branchenorientierung einzugehen.

Die zurzeit so stark diskutierten Cannabis-Aktien sind also nur eines von vielen Beispielen für ein Branchen- bzw. Themen- oder Sektoreninvestment.

 

Erste Enttäuschung: Sachdividende nicht üblich  😉

Bei Sachdividenden – auch Naturaldividenden genannt – erhalten Aktionäre anstelle oder ergänzend zu einer Geldausschüttung als Dividende, geldwerte Vorteile in Form von Produkten oder Dienstleistungen.

Früher waren das z.B. Lieferungen von Kohle oder Lebensmitteln wie Zucker. Heute gibt es Sachdividenden z.B. bei Touristikunternehmen, aber auch Brauereien, Wein- und Spirituosenherstellern.

Naheliegend, dass viele Anleger von Cannabis-Aktien sich auch eine Dividende wünschen, die sie dann „in der Pfeife rauchen“ könnten. Aber das gibt es bislang nicht und ist auch nicht in Sicht.

Es sieht eher so aus, als ob wir auch künftig Geldanlage und Freizeitvergnügen getrennt voneinander organisieren müssten. Als Hoffnungsschimmer bleibt die Tesla-Aktie und Elon Musk…

 

Cannabis-Branche statt Einzelaktienrisiko

Wer nicht auf eine einzelne Cannabis-Aktie setzt, sondern auf die gesamte Branche, vermeidet das Einzelwertrisiko (also z.B. die Gefahr, dass das Management einer Hanf-Aktie die Bücher fälscht, grob falsche Entscheidungen trifft oder einfach selbst zu viel raucht).

Das Einzelwertrisiko wird also wegdiversifiziert und der Anleger setzt darauf, dass sich die Cannabis-Branche insgesamt besser entwickelt, als der Gesamtmarkt aller Aktien.

Der interessierte Anleger kann ein Cannabis-Brancheninvestment erreichen, indem er entweder selbst in „händischer Arbeit“ ein individuelles Portfolio an Cannabis-Aktien zusammenstellt. Oder indem er Produkte nutzt, die sich – aktiv gemanagt oder passiv bzw. regelgebunden – in diesem Branchenmarkt engagieren.

Bei aktiven Anlagevehikeln auf Hanf-Aktien wird ein Branchenindex – hier also ein Cannabis-Index – als Vergleichsmaßstab (Benchmark) genutzt. Das übliche (und von aktiven Fondsmanagern langfristig selten gehaltene) Versprechen ist, die Benchmark zu übertreffen.

Passive Vehikel – fast ausschließlich ETFs – bilden einen Cannabis-Index ab und versuchen, diese Indexrendite mit möglichst geringer Abweichung an den Anleger weiterzureichen. Wie sieht nun also der Cannabis-Index aus?

 

Überraschung!!!
Selbst im Nischenmarkt Cannabis gibt es eine Indexvielfalt!

Hier wird deutlich, dass es selbst in einem jungen und vergleichsweise kleinen Markt wie Cannabis bereits heute nicht nur einen Branchenindex gibt. Sondern gleich mehrere, die sich z.B. in Hinblick auf Anzahl der einbezogenen Unternehmen, deren regionale Verteilung, ihre Größe und ihre Rolle innerhalb der Wertschöpfungskette (näheres siehe unten) stark unterscheiden.

 

 

Weit entfernt von einem Anspruch auf Vollständigkeit sollen ein paar Indizes genannt werden:

  • Global Cannabis Stock Index, gegründet 2013
  • Marijuana Index mit einem Anlageuniversum von insgesamt 390 Einzeltiteln (in drei regionalen Varianten – also eigentlich schon drei Indizes)
  • American Cannabis Operator Index, gegründet Ende 2018
  • Canadian Cannabis LP Index (enthält Unterindizes nach Größenklassen)
  • Cannabis Composite Index (3CI), gegründet Januar 2017, 17 Einzelwerte (nur Kanadische Firmen!)
  • Cannabis World Index (GTR)
  • Cannabis Total Opportunity Index, gegründet 2018, bis zu 20 (aktuell 19) Cannabis-Aktien Fokus auf etablierte „Big Player“.

Es fällt auf, dass die Indizes zumeist einen starken regionalen Fokus haben – selbst wenn sie „global“ im Namen tragen (Nordamerika und Kanada).

Und dass sie ansonsten extrem unterschiedlichen Kriterien folgen (Fokus auf Unternehmensgröße und/oder unmittelbare Produzenten, und/oder medizinische Anwendung versus „Freizeitvergnügen“ oder …)

Ob die Vielfalt von Cannabis-Indizes Ihnen als Privatanleger nutzt oder nur zu Verwirrung und Unübersichtlichkeit führt, dürfen Sie selbst entscheiden.

 

 

Überblick anhand eines Beispiels

Einen hilfreichen Überblick erhalten Sie, wenn Sie das Beispiel des oben genannten Marijuana Index betrachten (unter diesem Namen geschützt).

Der Marijuana Index enthält drei Unterbereiche, die ihrerseits wieder in Subsektoren in Bezug auf Hanf zergliedert werden:

 

(1)„Touching the Plant“

Das sind alle Unternehmen, die sich mit Aktivitäten rund um den Anbau und die Weiterverarbeitung der grünen Pflanzen beschäftigen.

Dies beginnt bei Biotechnologie mit Fokus auf die grünen Pflanzen (43 Firmen). Des weiteren Unternehmen, die sich mit Anpflanzung und Weiterverkauf beschäftigen (113 Firmen), Anbietern von Hanfprodukten (41 Firmen) sowie Anbietern von Marihuana-Produkten (32 Firmen).

 

(2) Direct Support

Hierunter fallen Unternehmen, die in der Wertschöpfungskette unmittelbar vor den Anbauern der grünen Pflanzen stehen. Hierzu gehören Unternehmen der Agrikulturtechnologie (28 Firmen), Unternehmen, die Ländereien/Anbaugebiete besitzen oder mieten (12 Firmen) oder weiterführende Dienstleistungen für die Unternehmen der unter (1) genannten Gruppe anbieten (31 Firmen). Ja, es gibt sogar Firmen, die (gut) davon leben, Cannabis-Anbauer zu beraten.

 

(3) Ergänzende Produkte und Dienstleistungen rund um die grüne Pflanze

Hier findet man Hersteller von Artikeln zum Cannabis-Konsum, das geht über die reine Haschpfeife weit hinaus (15 Firmen), Technologie und Medien, das sind Firmen, deren Schwerpunkt im Bereich der Bereitstellung von Technologien zur Aufzucht und insbesondere Weiterverarbeitung, Qualitätssicherung, Dosierung, Formalisierung etc. von Hanf- Produkten liegen (29 Firmen). Und schließlich Hersteller weiterer Hilfsgüter (14 Firmen) z.B. auch Firmen, die Atemtestgeräte herstellen, um die Polizei ähnlich wie beim Promilletest zu unterstützen.

 

Und was bedeutet das nun konkret für Sie?

Die Frage der Fragen lautet:
Sollten Sie nun also in Cannabis-Aktien investieren?

  • Sagen wir mal so: Jede Anlageentscheidung berücksichtigt rationale und emotionale Kriterien. Und das ist auch gut so.
  • Aus emotionaler Sicht ist es verständlich, dass Menschen, die selbst Cannabis konsumieren oder dem Thema positiv gegenüber stehen, sich der Branche auch als Anleger nähern wollen. Ich vergleiche das gerne mit eingefleischten Fußballfans, die viel Freude damit haben, auf die Aktie von Borussia Dortmund, AC Mailand oder FC Barcelona zu setzen.
  • Hinzu kommt eine gewisse Phantasie für die anderen Verwendungsmöglichkeiten von Hanf: Fasern, Öl, Arznei- und Schmerzmittel usw. Hanf ist sehr vielseitig.
  • Aus rein rationaler Sicht überwiegen jedoch eher ablehnende Argumente:
  • So stehen Hanf-Aktien für eine Branche mit besonders hohen Risiken. Diese ergeben sich aus
    • dem jungen und unvollständigen Entwicklungsstand (wenig Erfahrungswerte)
    • den hohen politischen Risiken (wenn Trump aus wahlkampftaktischen Gründen plötzlich gegen Cannabis wettert, dann gehen einige Lichter aus)
    • der übertriebenen Goldgräberstimmung (vgl. Kasten unten), unverkennbar ist die Tendenz zur Euphorie und Überbewertung
    • einer schlechten Markttransparenz (hoher Anteil von schwarzen Schafen, die jedoch in dieser Phase noch schlecht erkennbar sind und erst über die Zeit herausgefiltert werden).
  • Nun könnte man ja sagen: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer, d.h. Sie unterstellen, dass diesen Risiken eben auch hohe Chancen Daran ist jedoch zu zweifeln, da die Euphorie und hohe Bewertung durch die „Cannabis-Jünger“ eher gegen die Existenz überdurchschnittlicher Risikoprämien sprechen.
  • Die letztgenannte These ist wissenschaftlich sicher angreifbar und schwer zu fundieren. Jedoch: wenn man davon ausgeht, dass der Markt die Branchenrisiken korrekt eingepreist hat, bestünde immer noch kein Vorteil einer Cannabis-Anlage gegenüber einem branchenübergreifenden Investment.
  • Letztlich noch mein Hinweis auf die allgemeine Zurückhaltung, die ich Branchen- bzw. Sektoreninvestments entgegenbringe. Egal, ob Goldminen, Biotechnologie, Robotics & Automation: Sie sehen an den obigen Ausführungen, dass das ein gewisses Zocken auf ein „begrenztes Universum“ ist. Darauf gehe ich demnächst in einem gesonderten Blogbeitrag ein.

 

 

Im Ergebnis bleibt die Entscheidung für Hanf-Aktien eine primär emotionale Entscheidung – ganz so wie in Kryptowährungen.

Ich werde also nicht in Cannabis-Aktien investieren.

Wünsche jedoch den Anhängern der grünen Pflanze alles Gute. Und wenn die Spekulation nicht aufgeht, dann haben sie ja vielleicht ihre persönliche Strategie, wie sie mit der Enttäuschung gelassener umgehen…  😉

Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!

 

Erschienen am 08. Februar 2019.
Verlinkung zum Blogbeitrag „Branchen- und Themeninvestments“ ergänzt am 05. Juli 2019.

Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

 

6 Gedanken zu „Hanf im Depot? Cannabis-Aktien – zum in der Pfeife rauchen?“

    • Lieber Herr Braun, danke für das Kompliment, das mich besonders freut, da ich den niveauvollen Humor in Ihren Blogbeiträgen ebenfalls sehr schätze. Die lese ich stets mit Vergnügen! Erst vor kurzem: „Vogelflugdeutung und DAX“… klasse 😉
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
  1. Sehr geehrter Herr Prof. Walz,

    danke für diesen Beitrag, der endlich ein Gegengewicht zu der regelrecht reisserischen Positivberichterstattung rund um Cannabisaktien bildet.
    Ich denke, Sie haben mich vor einem unnötig riskanten Investment „gerettet“. In den bisherigen Artikeln wurde immer so plausibel dargestellt, dass die Cannabisaktien eigentlich nur steigen können. Jetzt bin ich etwas kritischer.
    Weiter so

    A. Kurz

    Antworten
    • Liebe/r A. Kurz, was Sie beschreiben, nennt der Verhaltensökonom die Plausibilitätsfalle. Natürlich kann man viele Gründe für Cannabis-Aktien suchen oder konstruieren. Aber eben auch viele dagegen. Wenn Sie Lust haben, können Sie ja mal den oben genannten Begriff recherchieren.
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
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Prof. Dr. Hartmut Walz
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