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Vom LeO zum LV-Messie? – Gastbeitrag von Achim Teske, Mint & Collegen

GASTBEITRAG ACHIM TESKE, MINT & COLLEGEN
Vom LeO zum LV-Messie?

Sind Sie ein undiagnostizierter LV-Messie? Machen Sie den Schnelltest. In diesem Beitrag beleuchten wir, was passieren kann, wenn ein argloses LeO und die Lebensversicherungsbranche aufeinandertreffen.

 

Über LeOs (Leicht erreichbare Opfer) ist in diesem Blog schon ausführlich geschrieben worden. Vor privaten Lebens- und Rentenversicherungen zur Kapitalanlage und Altersvorsorge ist auch schon mehrfach und zu Recht gewarnt worden.

Wenn ein argloses LeO und die Lebensversicherungsbranche aufeinandertreffen, kann folgendes passieren: Das LeO läuft Gefahr, zum LV-Messie (Langform: Lebenversicherungs-Messie) zu mutieren.

Und möglicherweise irreparable finanzielle Schäden zu erleiden.

Durch unseren Schnelltest erfahren Sie, ob Sie ein LV-Messie sein könnten. Falls ja, erhalten Sie Tipps zur Selbsttherapie, so dass Sie sofort mit der LV-Entwöhnung beginnen können.

 

Begriffsbestimmung

Der Begriff Messie-Syndrom (von englisch mess „Chaos, Durcheinander“) bezeichnet eine Störung der Wertbeimessung. Die Betroffenen haben Schwierigkeiten, Wert und Nutzen von Gegenständen zu beurteilen. Stattdessen wird vielen Dingen ein übersteigerter Wert beigemessen, der dazu führt, sich nicht davon trennen zu können. Quelle: Wikipedia.

Das LV-Messie-Syndrom ist weit verbreitet und in allen Bildungs- und Einkommensschichten zu finden. Unser „Rekordhalter“ z. B. ist ein Mediziner mit 41 Lebensversicherungen.

Das Perfide: Den meisten Betroffenen ist nicht klar, dass sie LV-Messies sind. Denn das LV-Messie-Syndrom ist die Zuckerkrankheit der Kapitalanlage: Lange Zeit ohne Symptome und Schmerzen. Und auf einmal ist der Fuß ab bzw. das Geld weg.

 

Schnelltest: Sind Sie ein LV-Messie?

Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen und zählen Sie die Punkte zusammen.

1. Wie viele Lebens- und Rentenversicherungen haben Sie?
a)
Keine  | 0 Punkte
b) 1   |  3 Punkte
c)
Mehr als 1  |  10 Punkte

2. Wer hat Ihnen Ihre Versicherungen verkauft?
a)
Versicherungsmakler  |  1 Punkt
b) Bank / Sparkasse / Versicherungsvertreter  |  5 Punkte
c) Der Typ vom Gratis-Seminar in der Uni  |  10 Punkte

3.  Wie bewahren Sie Ihre Versicherungsunterlagen auf?
a)
Handelsüblicher Ordner  |  0 Punkte
b) Schuhkarton  |  5 Punkte
c) Hochglanzordner mit Versicherungslogo  |  10 Punkte

4.  Wie hoch ist die jährliche Rendite Ihrer Versicherung nach Inflation?  
a)
Positiv  |  0 Punkte       
b) Negativ  |  5 Punkte
c) Weiß nicht  |  10 Punkte

 

Ergebnis

0 Punkte:
Gratulation. Ihr LV-Messie-Test ist negativ.
1 bis 4 Punkte:
Sie weisen leichte Symptome auf. Machen Sie zur Sicherheit den LV-Check-Up.
Mehr als 4 Punkte:
Sie zeigen die typischen Symptome des LV-Messies. Machen Sie unbedingt den LV-Check-Up.

 

Ihr LV-Check-Up – Der erste Schritt zur Besserung

Das LV-Messie-Syndrom lässt sich recht einfach kurieren. Und zwar mit dem Allheilmittel gegen zweifelhaften Finanz- und Versicherungsblödsinn: Transparenz.

 

Schritt 1: Faktenlage schaffen

Sie haben Frage 4 mit „c“ beantwortet? Kein Grund, sich zu schämen.

Als Versicherungskunde bekommen Sie zwar jedes Jahr eine Standmitteilung, eine Studie des Marktwächter Finanzen aus 2016 hat jedoch ergeben, dass keine der 68 untersuchten Standmitteilungen die Informationen enthält, die ein Kunde benötigt, um die Rendite seiner Lebensversicherung berechnen zu können.

 

Mit diesem Musterschreiben können Sie die relevanten Informationen anfordern:

Sehr geehrte Damen und Herren,
zur Vervollständigung meiner Versicherungsunterlagen bitte ich Sie, mir folgende Informationen zu senden:

  • eine Übersicht, der seit Vertragsbeginn gezahlten Beiträge (aufgeteilt nach Beiträgen für die Hauptversicherung und die Zusatzversicherungen)
  • den aktuellen Rückkaufswert
  • die voraussichtliche Ablaufleistung (inklusive Überschussbeteiligung) zum regulären Vertragsablauf
  • die voraussichtliche Ablaufleistung (inklusive Überschussbeteiligung), falls ich meinen Vertrag beitragsfrei stelle

Mit freundlichen Grüßen

 

Schritt 2: Analyse der Ergebnisse

Nach 14 Tagen sollten Sie Post von Ihrem Versicherer bekommen.

Praxis-Tipp und Spoiler-Alert: Öffnen Sie den Brief im Sitzen und halten Sie Baldrian oder ein anderes Beruhigungsmittel Ihrer Wahl bereit. Sie werden es wahrscheinlich brauchen. Unsere Beratungspraxis hat leider Folgendes gezeigt:

  • Klassische Lebensversicherungen: Bei über 50 % der Verträge ist der Vertragswert niedriger als die Summe der eingezahlten Beiträge. In über 80 % der Fälle ist die reale Rendite, d. h. die Rendite unter Berücksichtigung der Inflation, negativ.
  • Fondsgebundene Lebensversicherungen: Es kommen fast ausnahmslos teure, aktiv gemanagte Fonds bzw. Dachfonds zum Einsatz, die die Rendite deutlich reduzieren.

Wichtig: Keine Schnellschüsse! Falls Sie einen Vertrag mit einer hohen Garantieverzinsung haben, kann eine Fortführung in vielen Fällen sinnvoll sein. Verträge mit Berufsunfähigkeitsabsicherung sollten Sie sich auch genau ansehen.

Lassen Sie sich im Zweifelsfall unbedingt von einem unabhängigen Sachkundigen beraten. Dieser kann prüfen, ob Sie den Vertrag fortführen, kündigen oder beitragsfrei stellen sollten.

Haben Sie Ihre Lebensversicherung ab 1991 abgeschlossen? Dann stehen Ihre Chancen gut, dass Sie Ihren Vertrag noch heute widerrufen und rückabwickeln können. Ihr Vorteil: Ihnen werden nahezu alle Beiträge erstattet und Sie erhalten eine Verzinsung. Der Spiegel bezeichnet die Rückabwicklung als „den einzig wirtschaftlich vernünftigen Abschied aus alten Lebensversicherungen.

Sie sind mit der Rendite Ihrer Lebensversicherung zufrieden? Bitte nicht zu früh freuen, denn in der Lebensversicherungsbranche jagt eine Hiobsbotschaft die nächste und Ihr Versicherer könnte betroffen sein.

 

Lebensversicherer in Schieflage: Die Aufsicht schlägt Alarm

Lebensversicherungen sind bei vielen Kunden in der Schublade „langweilig, kann aber nichts schief gehen“ abgelegt. Diese Annahme könnte sich als kostspieliger Trugschluss erweisen, denn die Nullzinsphase macht den Lebensversicherern schwer zu schaffen. Bei einigen Gesellschaften ist die Lage so ernst, dass bereits Leistungen gekürzt werden mussten.

Aktuell befinden sich bereits jeder vierte Lebensversicherer und jede vierte Pensionskasse unter intensivierter Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), d. h. die Gesellschaften sind finanziell angezählt. Tendenz: Steigend.

 

Der Run-Off – Versicherungen auf der Resterampe

Reisende soll man bekanntlich nicht aufhalten. Wenn es sich bei dem Reisenden allerdings um jemanden handelt, dem man seine Altersvorsorge anvertraut hat, sollte man doch mal genauer hingucken.

In den letzten Jahren haben große Versicherer, wie z.B. die Ergo, das Neugeschäft mit klassischen Lebensversicherungen eingestellt (interner Run-Off). Die Generali ist 2018 noch einen Schritt weiter gegangen und hat 4 Millionen Lebensversicherungsverträge an Finanzinvestoren verkauft (externer Run-Off).

Der Damm ist gebrochen und weitere Versicherer werden sich von Ihren Verträgen trennen.

 

Und nun?

Lebens- und Rentenversicherungen waren noch nie eine wirklich gute Kapitalanlage. Dafür hatten Sie in der Vergangenheit einen großen Vorteil: Garantierte Zahlungen. Wenn gewünscht, bis zum Lebensende.

Eine Garantie ist jedoch nur so gut wie der Garantiegeber, hier der Versicherer. Die Finanzkraft der Versicherer wird aber jeden Tag durch die Nullzinsphase stärker ausgehöhlt, so dass die Garantien stetig an Wert verlieren.

Das Besparen von klassischen Lebens- und Rentenversicherungen gleicht deshalb inzwischen dem Aufsammeln von 10 Cent Stücken vor einer rollenden Dampfwalze.

 

Unser Rat: Überprüfen Sie Ihre Verträge, bevor Ihr Versicherer und letztendlich Sie finanziell unter die Räder geraten.

 

Kurzprofil Achim Teske MINT&Coll

Erschienen am 31. Juli 2020.

Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

9 Gedanken zu „Vom LeO zum LV-Messie? – Gastbeitrag von Achim Teske, Mint & Collegen“

  1. Lieber Herr Teske,
    …toller, gelungener Beitrag – von Anfang bis zum Ende. Ihre Analyse trifft den traurigen Kern und kann ich nur bestätigen. Ihre Schlussfolgerungen helfen eine Konsequenz zu ziehen und u.U. schlechtem Geld kein Gutes mehr hinterher zu werfen!?
    DANKE, dass Sie mit einer amüsanten Herangehensweise auf die Unrentabilität der Vorsorgeverträge hinweisen, denn man kann es einfach nicht oft genug sagen und darauf hinweisen. Leider und zugleich schade, dass die Versicherungs-Lobby so stark ist und gleichfalls die Politik nicht den Mut findet ihre Bürger zu schützen. Wir (mit gesellschaftlichen Kosten für den Staat selbst) laufen damit sehend in die Altersarmut – der Kunde/Bürger ist am Ende der Nutzen-Kette, wenn überhaupt einer (nach Inflation) bleibt!

    Antworten
    • Lieber Herr Hildebrand,
      herzlichen Dank für Ihr Feedback und die ergänzenden Kommentare, die zu 100 % unterschreibe.
      Viele Grüße
      Achim Teske

      Antworten
  2. Hallo Herr Teske, Ihren Beitrag find ich rundum klasse, hab gut gelacht und auch geweint. Alles in allem haben`s da leider vollkommen recht.
    Einen krassen Fehler glaub ich jedoch gefunden zu haben.
    Nämlich Ihre Frage 4: Ist Ihnen da die Skala verrutscht?
    Warum erhält jemand, der so doof (´tschuldigung – ich meint, uninformiert) ist, an eine positive Rendite der LV nach Inflation zu glauben Null Punkte? Müsste er nicht 20 Punkte erhalten, da sicher geglaubtes Falschwissen noch viel schlimmer ist als das Wissen um´s eigene Unwissen? Ihre Alternative 4 c bringt da nur 10 Punkte.
    ABER: Auch wenn Sie sich an dieser Stelle geirrt hätten, fände ich Ihren Beitrag trotzdem lesenswert und werde ihn weiterleiten. Servus !

    Antworten
    • Lieber Martin,

      herzlichen Dank für Ihr Feedback und die direkten Worte. Ich bin mir nicht 100 % sicher, ob ich Ihre Fragen richtig verstanden habe. Ich versuche trotzdem, Ihnen Antworten zu geben. Bitte kommentieren Sie abermals oder kontaktieren Sie mich gerne direkt, falls ich etwas missverstanden habe.

      Ihre 1. Frage: Warum gibt es für Antwort 4a) 0 Punkte?
      Antwort: Wenn die reale Rendite einer Lebensversicherung i) positiv ist, ii) der Kunde die Rendite kennt und iii) damit zufrieden ist, dann ist dies, meiner Meinung nach, kein Anzeichen für LV-Messietum. Denn unterschiedliche Anleger haben unterschiedliche Renditeerwartungen und -erfordernisse. Ein bereits vermögender Anleger, der nur auf Kapitalerhalt aus ist, handelt nicht irrational, wenn er eine klassische Lebensversicherung bei einer finanzstarken Gesellschaft hat, die eine reale Rendite von 1 % pro Jahr erzielt. In diesem Fall ist die Lebensversicherung dann oft ein quasi-Festgeld für diesen Kunden. Für Menschen, die der erst Vermögen aufbauen möchten, ist eine klassische Lebensversicherung hingegen das völlig falsche Anlageprodukt.

      Ihre 2. Frage: Warum gibt es für Antwort 4c) 10 Punkte?
      Antwort: Das Schlimmste, was man als Anleger tun kann ist, sich nicht um sein Geld zu kümmern. Keine Zeit oder keine Lust? Kein Problem, dafür gibt es ja Berater. Aber für Ignoranz gibt es bei mir maximale Strafpunkte.

      Beste Grüße
      Achim

      Antworten
  3. Sehr geehrter Herr Teske, Ihre Informationen fand ich super wichtig und relevant,Ich habe viel daraus lernen können. Vorher hatte ich ein schlechtes Bauchgefühl. Nun habe ich eine Menge eindeutiger Fakten. Vielen Dank!
    Nun meine konkrete Nachfrage: wenn ich die Informationen von BaFin richtig verstanden habe, steht ein knappes Drittel der deutschen Versicherer aktuell unter intensivierter Aufsicht, ist also irgendwie in der Solvabilität bzw. Einhaltung der Leistungszusagen gefährdet.
    Ich persönlich finde es skandalös, dass ich als einfacher Bürger und Versicherungsnehmer nicht wissen darf, um welche Gesellschaften es sich handelt.
    Wie sehen Sie das als Marktkenner und Versicherungsfachmann?
    Vielen Dank für Ihre fachliche Stellungnahme und machen Sie unbedingt weiter mit Ihrer wertvollen Arbeit.

    Antworten
    • Sehr geehrter Herr Neugebauer, vielen Dank für Ihr Feedback.
      Ihr Unverständnis, dass die BaFin die Lebensversicherer mit finanziellen Schwierigkeiten nicht beim Namen nennt, ist nachvollziehbar. Ich glaube, mich zu erinnern, dass einer der Gründe war, dass die Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Versicherer durch eine Offenlegung negativ beeinträchtigt werden könnten. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht eine verständliche Entscheidung. Als Kunde sieht man das natürlich anders.

      Die BILD Zeitung hatte sich des Themas intensivierte Aufsicht bereits in 2018 angenommen und alle 87 aktiven Lebensversicherer angeschrieben. Nur zwei Versicherer kamen seinerzeit aus der Deckung und legten offen, dass sie betroffen waren: debeka und Generali. Alle anderen verweigerten wohl die Aussage. Falls Sie Ihre eigene Recherche unternehmen möchten: Der Bund der Versicherten in Kooperation mit Zielke Research hat gerade eine Studie zur Solvenz der Versicherer veröffentlich. Diese finden Sie hier: https://www.bundderversicherten.de/stellungnahmen/solvabilitaetsberichte/2020

      Ich hoffe, dass ich Ihnen helfen konnte. Sprechen Sie mich sonst gerne noch einmal an.

      Herzliche Grüße
      Achim Teske

      Antworten
      • Lieber Herr Teske, vielen Dank für diese sehr interessante und fundierte Rückkommentierung! Stöbere selbst gerade durch Ihren Link 😉
        Toll!
        Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

        Antworten
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Prof. Dr. Hartmut Walz
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